Meine schönste Erfahrung in Sachen Radfahren
Foto: Horst Turnowsky |
Es war an einem, für die Jahreszeit typischen, düsteren Novemberabend im Jahr 2002, als ich beim damaligen Radgeschäft von Raimund Pucher, in Oberweissenbach - unweit von Feldbach, anklopfte, um den vereinbarten Termin zur Einstellung meiner Sitzposition am Rennrad wahrzunehmen.
Beim Kauf meines Rennrads hatte man einst im Fachgeschäft nach den gängigen Messmethoden, bei denen im Grunde nur auf Körpergröße und Beinlänge eingegangen wird, mittels Tabellen die Rahmengröße festgelegt. Meine „optimale Sitzposition“ fand ich dann empirisch, indem ich im Trial-and- Error-Verfahren versuchte das Rennrad an meine Bedürfnisse anzupassen, ohne auf irgendwelche objektiven Kriterien Rücksicht zu nehmen. Ich verließ mich einfach auf mein Gefühl. Als leidenschaftlichem Wiegetrittfahrer versuchte ich eine eher sehr lange Position am Rad mit ungewöhnlich tief positionierten Bremshebeln zu erreichen, da ich der Meinung war, dass es wichtig wäre, im Wiegetritt so weit und tief wie möglich nach vorne zu gelangen. Inzwischen weiß ich, dass ich damit genau das Falsche getan habe. Im Endeffekt zwang mich diese Sitzposition dazu jede auch noch so geringe Steigung im Wiegetritt zu bezwingen.
Am besagten Abend empfing mich ein sympathischer, schüchtern wirkender Mann mir auffallend langem, leicht grau meliertem Haar. Ich erzählte ihm, dass ich seine Adresse über einen guten Radkollegen weiterempfohlen bekommen hatte, der mit seiner speziellen Art der Einstellung der Radposition sehr gute Erfahrungen gemacht hatte. Raimund und ich verstanden uns auf Anhieb. Im Laufe des Abends stelle sich heraus, dass wir auch ein gemeinsames Steckenpferd hatten, nämlich das Thema Ernährung.
Während wir uns unterhielten, begann Raimund mit der, für mich mittlererweile zur Gewohnheit gewordenen Zeremonie: nämlich der des Aufbaues der Radwalze und deren exakt waagrechter Aufstellung auf dem Boden, welche Raimund mittels Wasserwaage überprüfte.
Nachdem ich in mein Radtrikot geschlüpft war, bat mich Raimund, auf mein, inzwischen auf der Walze eingespanntes Rennrad zu steigen und einfach einmal loszutreten.
Ich war ein Wenig angespannt und versuchte mich damit abzulenken, dass indem ich Raimund vom damaligen Projekt der Radzwillinge, Graz – Mt. Blanc - nonstop, berichtete. Dabei erwähnte ich auch meine Probleme, die bei dieser über 1000 km langen „Monsterradtour“ von Graz nach Chamonix aufgetreten waren. Ich hatte meine Wehwehchen eigentlich noch gar nicht ausgesprochen als er mir zuvorkam und meinte, ich hatte wahrscheinlich Verspannungs-zustände im Rücken auf Höhe 5. Bis 7. Lendenwirbel und wahrscheinlich Schmerzen im rechten Knie gehabt. Ich viel vor Überraschung fast vom Rad, weil Raimund den Nagel auf den Kopf traf: genau das wollte ich ihm grad erzählen…. Spaßhalber fragte ich Ihn, wo er sich denn über seine Kunden im Vorfeld so genau erkundigen würde? Über meine Performance auf der Walze meinte er nur schlicht und ergreifend: “ Es ist schon sehr interessant, was so ein Körper aushält.“
Bevor Raimund nun Änderungen am Rad vornahm, ging er dazu über, meine ursprüngliche Sitzposition genau zu dokumentieren, indem er mich auf dem Rad sitzend, und eine Ausfahr simulierend, von allen möglichen Seiten fotografierte. Dieses Dokumentieren der Sitzposition ist eines von Raimunds Geheimnissen und diese Zeremonie gehört für mich mittlererweile dazu.
Nun begann Raimund mit der eigentlichen Arbeit und fing an zu diverse Veränderungen vorzunehmen, wobei er mir klar zu machen versuchte, welche Auswirkung diese teilweise minimalen Veränderungen auf den Körper und das Wohlbefinden haben würden.
Um ehrlich zu sein, ich hatte aber keine Ahnung wovon er sprach.
Mein damaliges Rennrad der Marke Klein Quantum pro, das ich mitbracht hatte war nach Raimunds Ansicht viel zu groß für mich. Er demonstrierte mir anhand von gezielten Strichzügen auf den zuvor aufgenommenen Fotos, dass mein Darm bei meiner ursprünglichen Sitzposition viel zu wenig „Platz“ hätte, um richtig arbeiten zu können. Außerdem wäre ihm klar, warum sich bei längerer Belastung der untere Bereich meines Rückens und der Schulterbereich verspannen würde. Wie gesagt: ich verstand nur „Bahnhof“.
Die erste „Sitzung“ dauerte ca. 5 Stunden und wenn ich ehrlich bin: der Lichtschein, den ich am Ende des Tunnels wahrnahm, hatte die Größe eines Nadelkopfes…
Bei meiner ersten Ausfahrt nach der ersten Ausmessung fühlte ich mich ungewohnt entspannt und irgendwie freier, wobei es mir schwer fiel, dieses Gefühl in Worte zu fassen, so neu war alles.
Im darauffolgenden Jahr machte ich bei den Rennen an denen ich teilnahm, eine ungewohnte Erfahrung: Obwohl ich an meinem Training eigentlich nichts verändert hatte, erlebte ich in dieser Saison einen regelrechten „Durchbruch“. Ich gewann einige Radmarathons sowie erstmals die Gesamtwertung der Rennen des Radklubs in Raaba.
Erst jetzt wurde mir die Arbeit mit Raimund bewusst und ich suchte immer öfters den Kontakt zu diesem Genie, das „Radergonom“ nannte.
2004 war es dann soweit: ich gewann in meiner Altersklasse die Radmarathon-WM, den SAMSON in St. Michael im Lungau. Ich war das erste Mal in meinem Radleben richtig stolz auf mich. Einige weitere schöne Erfolge in der Marathonszene und der Bergmeistertitel beim Radklub Raaba ließen mich auf eine gelungene Saison zurückblicken. Nach jedem erfolgreichen Rennen bedankte ich mich gedanklich bei Raimund und konnte es kaum erwarten, ihn von den Früchten unserer gemeinsamen Arbeit zu informieren.
Ende Jänner 2005 wurde ich durch ein Missgeschick unweit von meinem Elternhaus, bei dem ich mich unerwartet schwer verletzte, zurückgeworfen. Ich nutzte die Zwangstrainingspause für die Anschaffung meiner neuen „Wunderwaffe“ einem Canyon Rad aus Carbon.
Für mich war nichts auf der Welt selbstverständlicher, als gemeinsam mit Raimund die optimale Sitzposition auf meinem neuen „Flitzer“ herauszufinden.
Das richtige Sitzen auf dem Rad wurde für mich immer bedeutsamer, da wir (Bruder und ich) uns auf speziellere Radprojekte konzentrierten, sogenannten Kombitouren aus Radfahren und Bergsteigen (Näheres dazu auf unserer Homepage www.radzwillinge.at), bei denen wir enormen Belastungen ausgesetzt sind.
Es folgten ungeahnte Erfolge in dieser neuen Disziplin: „Genua-Dom“, „Portoroz-Triglav“, „Graz-Dachstein“….nur um einige Highlights dieser Serie zu nennen.
Nachdem ich das Jahr 2006 aufgrund einer Meningitis im Frühjahr etwas behutsamer angehen musste, starteten mein Bruder Gernot und ich im Jahr 2007 so richtig durch. Mit großem Stolz können wir auf den bisherigen Höhepunkt unserer Radkarriere zurückblicken: den 24- Stunden-Radhöhenmeterweltrekord (Guiness worldrecord) den wir am 1.7.2007 auf 20.049,5 m verbessern konnten. Ich bin überzeugt davon, dass meine bis dahin optimierte Sitzposition einen wesentlichen Beitrag zu diesem Erfolg geliefert hat und dafür bedanke ich mich ganz herzlich bei Raimund Pucher.
Bislang hatten Raimund und ich uns darauf konzentriert aus dem vorhandenen Material das Beste herauszuholen, womit wir in Wirklichkeit aber noch lange nicht am Ziel waren. Für meinen Bruder und mich standen stets sportliche Aktivitäten in der Natur und das Abenteuer im Vordergrund. Seit dem Jahr 2008 verfolgen wir ein neues Ziel: nämlich alle sämtlichen 7 Summits, die höchsten Gipfel aller Kontinente, vom Meeresniveau aus in einer Kombination aus Radfahren und Bergsteigen nonstop, also ohne Schlafpausen, zu erreichen.
Für die Umsetzung dieses Projekts bekamen wir ein spezielles Crossbike der Marke KUOTA gesponsert. Dass dieses Rad eine ungewöhnlich gedrungene und kleine Rahmengeomerie aufweißt, wurde mir erst nach einem weiten Besuch bei Raimund bewusst, und genau dieses Rad war es, das uns in Sachen „optimale Sitzposition“ um Meilensteine weiterbrachte:
Es war wieder einmal ein regnerischer Herbsttag, diesmal im Keller von Matthias Jud’s Elternhaus in Feldbach. Ich war nicht gut drauf und wollte eigentlich den vereinbarten Termin mit Raimund platzen lassen. Doch es sollte ganz anders kommen. Wir beide, Raimund und ich, ahnten vor der Einmessung nicht, dass ich mit meinem neuen Kuota-Rad das für mich maßgeschneiderte Rad in den Händen hielt. Raimund hatte im Gegensatz zu mir, einen guten Tag mit einer besonderen Eingebung. Man konnte förmlich spüren, dass bei ihm ein Programm ablief. Er war in seinem Element. Und nach zwei Stunden war es dann soweit: Wir beide hatten nach nunmehr 6 Jahren gemeinsamer Arbeit unser Ziel erreicht. Ich hatte meine persönliche perfekte Sitzposition!
Meine perfekte Sitzposition umfasst eine Vielzahl von Eigenschaften:
°) Bei allen Lenkerpositionen (Obergriff, Bremsgriff, Untergriff, -mit oder ohne Armabwinkelung) kann ich unter Belastung voll Durchatmen und verspüre weder einen Druck noch eine Spannung auf Arme, Schulter oder Oberkörper.
°) Ich sitze satt im Sattel und habe nicht mehr das Bedürfnis die Sitzposition am Sattel dauernd ändern zu müssen.
°) Ich klage nicht mehr über „Kreuzschmerzen“, wie ich sie früher oft nach langen Radausfahrten aufgrund von Verspannungen im Rücken verspürte.
°) Ich habe keine Knieschmerzen und drücke die Knie intuitiv zum Oberrohr, wodurch die Kraftübertragung optimiert wird.
°) Den Wiegetritt benötige ich nur noch zur Entlastung, bei Verfolgungen oder bei sehr steilen Anstiegen.
°) Was für extreme Ausdauersportler sehr wichtig ist, ist die Möglichkeit, trotz vollem Verdauungsapparat quasi belastungsfrei die volle Leistung zu bringen. Dies ist mit dieser Position kein Problem mehr und ich habe so richtig Spaß an extremen Unternehmungen.
Unterm Strich konnte meinen Horizont in Sachen Radoptimierung um eine Potenz erweitern, ich fühlte mich auf dem Rad wohl, wie noch nie und erlebte mit fast 40 Jahren so etwas wie eine Renaissance.
2009 habe ich auf Empfehlung von Raimund noch einen weitern Quantensprung vollzogen: Im Herbst diesen Jahres wollte ich mir in Anlehnung an mein „Wunderrad“, dem Kuota-Crossbike, welches mittlererweile perfekt auf meinen Körper abgestimmt war, ein für mich hinsichtlich Rahmengeometrie perfektes Straßenrad zulegen. Gemeinsam mit Raimund begab ich mich auf die Suche nach einem hoch qualitativen Rad mit entsprechenden Abmessungen. Wir fanden es bei Hannes Fuchs ein ARGON 18.
Aber damit nicht genug, Raimund hatte noch einen speziellen Tipp, der sich in der Folge als absoluter Topgriff herausstellte: Der extrem leichte, handgefertigte Radschuh der Marke „bíomac“ mit der speziell angeordnete Schuhplatte. Es sollte sich herausstellen, dass der Griff zu diesem Schuh und damit verbunden der Umstieg zu SPD Pedalen meiner Sitzposition den letzen Feinschliff verlieh. Die Verwendung von SPD Pedalen ist dadurch notwendig, dass die Pedalplatte nicht wie beim herkömmlichen Radschuh unter dem Fußballen, sondern vielmehr mittig unter dem Fußgewölbe sitzt.
Es bedurfte zwar einer längeren Eingewöhnungsphase bis sich vor allem die Muskulatur sich an die total neue Situation angepasst hatte, mittlererweile möchte ich den neuen Schuh aber nicht mehr missen.
Wirklich außergewöhnlich ist die auffällig entspannte Lage des Fußes im Schuh. Der Schuh ist überdurchschnittlich komfortabel geschnitten und bietet durch die besondere Stellung der Pedalplatte eine gleichmäßige Verteilung des Pedaldruckes auf die ganze Fußsohle. Dadurch kommt es auch bei längerdauernden Belastungen zu keinerlei Durchblutungsstörungen, was mir als Langstreckenradfahrer natürlich zu Gute kommt. Weitere Vorteile des neuartigen Radschuhs sind eine gute Durchlüftung im Sommer und durch die groß geschnittene Schuhform, eine bessere Isolation im Winter. Der Superknaller, der sich automatisch durch die neue Lage der Pedalplatte ergibt, ist eine insgesamt um fast 5 cm niedrigere Sitzposition, was natürlich in Sachen Schwerpunkt und Aerodynamik enorme Vorteile bringt. Zusätzlich habe ich das Gefühl, dass es beim Treten in die Pedale so gut wie keine „Todphase“ zu spüren gibt. Die Pedalumdrehung ist runder, kompakter und kraftvoller. Das übliche Ziehen im Bereich des unteren, hinteren Umdrehungsviertels fällt praktisch weg und wird vielmehr durch ein kraftvolles Schieben und Drücken ersetzt. Durch die neue Lage der Pedalachse im Bereich des Mittelfußes ist eine direktere Kraftübertagung vom Unterschenkel auf den Fuß gegeben. Zusätzlich wird die Wadenmuskulatur in genialer Art und Weise geschont, da durch stumpferen Winkel zwischen Fußballen und Unterschenkel eine optimalere Kraftübertragung auf das Pedal zustande kommt. Der gesamte Bereich Unterschenkel samt Wade, Fußgelenk und Fußgewölbe bis hin zum Fußballen bleibt entspannt. Die Vorteile der mittig zum Fuß gelegenen Pedalachse beschränken sich aber nicht nur auf den Unterschenkel sondern setzen sich in den Bereich des Oberschenkels fort. Auch für diesen Bereich ergeben sich günstigere Kraftübertragungswinkel, zusätzlich wird ein größeres Muskelumfeld miteinbezogen. So werden, nach meinen Erfahrungen insbesondere der hintere Oberschenkelmuskel sowie der Gesäßmuskel weit besser eingesetzt. All diese Umstände verhelfen zu einer ungeheuren Kompaktheit am Rad. Sein extravagantes Aussehen gibt dem Schuh das besondere Etwas, die eingearbeiteten, reflektierenden Streifen leisten speziell in der Abenddämmerung bzw. bei unseren Nachtfahrten einen großen Beitrag zur Sicherheit. Raimund bezeichnet meinen neuen Schuh aufgrund seiner ungewöhnlichen Optik gerne schmunzelnd als „weissen Ballerina“.
Voll Optimismus blicke ich nun der Radsaison 2010 entgegen, wohlwissend, dass ich mit dem optimalen Material ausgestattet bin, der Rest liegt jetzt bei mir selber… und wer weiß, vielleicht hat Raimund noch ein paar neue Ideen…
Nach nunmehr acht Jahren fühle ich mich endlich am Ende des Tunnels angelangt und möchte mich aus diesem Grunde ganz herzlich bei Raimund für sein Engagement und seine Geduld bei der Erarbeitung unseres gemeinsamen Ziels – meiner optimalen Sitzposition – bedanken. Ich kann nur allen Radsportbegeisterten den heißen Tipp geben, Raimunds Beratung in Anspruch zu nehmen und seinen enormen Erfahrungsschatz für die Umsetzung der eigenen Ziele zu nützen.
Vielen lieben Dank Raimund und ich freue mich auf eine weitere Zusammenarbeit mit Dir!
P.S.: 2006 hatte ich aufgrund meiner Krankheit viel Zeit nachzudenken und suchte intuitiv den Kontakt zu Raimund. Einmal spazierten an einem schönen Frühlingstag in der Nähe von Schloss Kornberg und sprachen über seine Tätigkeit. Zu diesem Zeitpunkt war Raimund nur in Insiderkreisen bekannt und ich hatte das Gefühl, dass er sich nicht traute mit seinem Können so richtig an die Öffentlichkeit zu gehen. Ich persönlich war von seiner Arbeit seit mehreren Jahren voll und ganz überzeugt. Im Laufe unseres Spaziergangs versuchte ich ihm klar zu machen, welches Potential in ihm schlummerte, und dass es an der Zeit wäre, dieses Potential richtig zu nützen. Vielleicht als Folge dieses Nachmittags erfolgte bald darauf die Realisierung einer eigenen Homepage, immer mehr Sportler wurden auf Raimund aufmerksam, Triathleten stellten eine neue Herausforderung dar. Inzwischen blickt Raimund auf eine fast unüberschaubare Referenz an namhaften Radsportlern, zu deren Erfolgen Raimund einen wesentlichen Beitrag leisten konnte, zurück. Diese Entwicklung erfreut mich ganz besonders und erfüllt mich mit ein wenig mit Stolz.
ALLES GUTE RAIMUND!!!!!!!
Horst Turnowsky
Der jüngere Radzwilling
www.radzwillinge.at
Horst Turnowsky seine Sitzposition Kuota